wer / wie / was / wo



«Bloss kein  Aufwand, bloss keine unnötigen Kosten. Einfach schnell anskizzieren!»

Die Spracherkennung dieser Kundin war eindeutig. Nach dieser erfreulichen Sitzung beschlossen wir nunmehr alles anzuskizzieren. Alles.

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21. Februar 2012

Was würden wir wohl ohne unseren heissgeliebten und vielgebrauchten Lieblingskurzbefehl machen?
Apfel-Zet: Befehl rückgängig!

Der Klang einer Apfel-Z Abfolge ist deutlich erkennbar. Er kann mitunter minutenlang dauern, da sich dieser Befehl unendlich lange wiederholen lässt. Erstaunt, oder je nachdem fassungslos, schaut man zu, wie sich Ideen und komplizierte Gedankenvorgänge im Zeitlupentempo wieder rückwärts bewegen.

Ein bisschen bedenklich finden wir, dass sich inzwischen diverse Kurzbefehle auch ausserhalb unserer Mac-Aera in unser Gedankengut eingenistet haben. Kein Witz. Durch viel und intensives Arbeiten schwappen Funktionen vom digitalen ins analoge Leben über.

Zuviel Salz ins Spaghettiwasser? Apfel-Z. Zuwenig Münz für den Billetautomaten? Apfel-D (Objekt
duplizieren). Ein Klumpen Menschen im Tram? Apfel-Shift-G (Gruppierung auflösen).

Aber eben. Funktioniert nur bei Appels.

Shift-Apfel-Z ist übrigens das Gegenteil von Apfel-Z. Macht also das rückgängig Gemachte wieder rückgängig. Aber den brauchen wir nie. Die Gefahr, dem Wahnsinn zu verfallen, ist etwas zu gross.

 

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9. Februar 2012

«Die Optik hat in diesem Magazin absolute Priorität».

Diese Aussage einer Kundin heute hörten wir tatsächlich zum ersten Mal.

Haben wir eigentlich noch Champagner im  Kühlschrank?

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4. Januar 2012

Ein gutes neues Jahr also.

 

Für uns wird es wohl eines. Auch das letzte, das vorletzte und vorvorletze war schon ziemlich gut, doch dieses Jahr wird noch besser, aufregender und ein bisschen anders. Ein Büromitbewohner wird bei uns einziehen. Ein Mann. Ein winzig kleines bisschen aufgeregt sind wir. Schliesslich haben wir in den letzten, zu zweit verbrachten Jahren, ganz entspannt unsere Marotten pflegen können. Auch hat sich das eine oder andere Müsterchen eingenistet.

 

So brauchen wir zum Beispiel am Morgen, noch bevor der Mac aus dem Ruhezustand gerüttelt wird, Zeit, um miteinander vielerlei Dinge zu besprechen. Als hätte sich quasi über Nacht ein Riesenbedarf diesbezüglich angestaut. Als hätten wir uns seit Wochen nicht mehr gesehen. Nicht mehr geredet. Wir sind selber immer wieder in höchstem Masse erstaunt, über dieses Phänomen.

 

Auch haben wir zum Teil eine mehr oder weniger eigene Sprache entwickelt. Wörter, die keinerlei Wortstamm entspringen. Sehr schwierig zu beschreiben. «Jetzischguet-plöph»!  Das «plöph» ergibt sich durch knackigen Zungenüberschlag und wird ausschliesslich dann verwendet, wenn nach längerem Suchen die adäquate Lösung für eine Gestaltung gefunden wird. Das Wort Server, ein anderes seltsames Beispiel, wird lediglich in zünftig, bayrischem Dialekt ausgesprochen. Keine Ahnung weshalb. Es ist einfach so und darüber wundern wir uns schon gar nicht mehr.

 

Und natürlich tummeln sich zwischen Macs, Filzstiften, Kopierpapier und Druckerpatronen der neuste Chanel Nagellack, Creme- und Puderrouges in Pfirsich und Terracotta, Pickelstifte, Trainingszeug, todschicke Sonnenbrillen und  Sommerschläppchen – auch im Winter.  Und wenn Prince im Radio läuft, wird ungeniert abgefunkt. Das alles und noch anderes wird den Mann erwarten. Wir werden natürlich versuchen uns etwas zusammenzunehmen. Wobei: Der Mann ist sehr gescheit. Gescheite Menschen neigen bekanntlich zur Diskretion. Und: Der Mann ist sehr schön. Das wird uns wohl ab und an die Sprache verschlagen.

 

p.s.: Sonst sind wir ganz normal. Wir beschäftigen uns ausschliesslich und konzentriert mit Typographien, Satzspiegeln, Umbrüchen, Flattersätzen, Bildsprachen und Druckqualitäten. Dies in akzentfreiem Schweizerdeutsch.  

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29. November 2011

Wir werden älter. Subtile  und gemeine Anzeichen diesbezüglich machen sich bemerkbar. Wo früher Nachtschichten locker weggesteckt wurden, sind wir anderntags rotäugige, bleiche und misslaunige Wracks. Lesebrillen verschiedenster Modelle bemächtigen sich unserer Schreibtische, Omega 3 Kapseln unserer Küche und das eine oder andere Rheumapflaster unserer Schubladen.  Im Zeichen unseres eigenen Nachhaltigkeitsgedanken beschliessen wir uns nun dem vehement entgegenzusetzen. Und zwar mit ganzer Härte. Wir  melden uns in ein Fitnesszenter an. Dasjenige, das eine Bar im Empfang vorzuweisen hat, bekommt unsere Unterschrift für den Einjahresvertrag.  

Die erste Trainingsstunde haben wir nun bereits hinter uns.

Autsch!  Aber wir bleiben dran. Doch… doch!

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14. November 2011

Der Fensterputzmann war heute wieder einmal da. Den finden wir wirklich cool.  Er fährt mit dem Velo durch die Quartiere und bietet einen vollumfänglichen Fensterscheibenputzservice an. Das  Equipement dazu hat er mehr schlecht als recht festgezurrt am Sattel hängen. Unserer Sprache wenig bis gar nicht mächtig,  steht er jeweils plötzlich vor unserem Fenster, zeigt auf unsere schmutzig fleckigen Scheiben, lacht über das ganze Gesicht und macht den Daumen runter. Wir lachen ebenfalls und machen den Daumen hoch. Das reicht zur Verständigung und sofort beginnt er mit   grossem Eifer seine Arbeit. Und als wäre es üblich von allen Seiten heftig eingeseift zu werden, arbeiten wir ganz normal weiter. Wir kennen uns ja inzwischen gut und wissen, es kommt super. So auch heute. Die Scheiben erstrahlen  in der fahlen Herbstsonne wieder in  neuem Glanz und auch die Fensterbänkchen sind wieder blitzblank. Das wird auch unsere Hausvermieterin sehr freuen. Das Ganze kostet übrigens 50 Franken. Es sind gut investierte 50 Franken.

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25. Oktober 2011

Da wollte wohl wer bei uns einbrechen. Die Tür klemmt und eine gröbere Delle im Türrahmen lassen darauf schliessen. Komischerweise lässt uns diese Erkenntnis kalt. Natürlich stellen wir uns kurz vor, wie es wäre, am Morgen in ein leer geräumtes Büro zu kommen. Und was denn so alles weg gestohlen wäre. Unsere Macs. Und dann? Der in die Jahre gekommene Scanner? Wer scannt heutzutage überhaupt noch? Die beiden nervigen Drucker? Viel Vergnügen dann! Vielleicht unser fulminant grosses Kaffee- und Guetslisortiment? Wir hätten auch noch sehr hübsch gepunktete Servietten. Und überhaupt eine ganze Menge  spezieller Dinge wie Mikadostäbchen (die Originalen), handbemalte Fliegenpilze aus Keramik oder zwei Tierfigürchen mit kleinen Kerzchen auf dem Rücken.  Wir stellen uns vor, wie grosse, muskelbepackte Männer (denn so sehen Räuber nun mal aus), leise unsere Türe wieder schliessen. Wie sie in die nächste Bar stapfen um zu vergessen. Fast kriegen wir ein bisschen Mitleid. 

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10. Oktober 2011

Wenn nur noch wildes Mausgeklicke zu hören ist, die Energie von viel Arbeit in der Luft liegt, dann brauchen wir nebst Kaffee und Schokolade, Gurrumul. Geoffrey Gurrumul Yunupingu, ein von Geburt an blinder Aborigine-Künstler, ist schwierig zu beschreiben. Seine Musik, seine Stimme - irgendwie traumhaft, entzückend, behaglich - einfach wohltuend. Gurrumul hilft uns immer.

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30. September 2011

Für einen kurzen Moment ist Yuri heute Mittag etwas  konsterniert. Statt der üblichen zwei Gläser Wasser, bestellen wir zwei grosse Gläser Prosecco. Und gucken böse. Die Cafébar «Zum guten Glück» bei uns ums Eck ist unser zweites Daheim. Da darf man sich schon mal etwas gehen lassen. Man bemerkt, wenn wir einen schlechten Morgen hatten. So wie heute.

 

Zur Rechnung stellt uns Yuri zwei Mohrenköpfe dazu. Er ist kein Mann der grossen Worte. «Die werden euch gut tun.»

www.zumgutenglueck.ch

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28. September 2011

Unser Server stellt uns seit Tagen die ganz und gar uncharmante Frage einer endgültigen Trennung. Und falls dies für uns keine Option wäre, sollten wir diese, also seine Frage ignorieren. Der Kerl nervt uns mit seinen kindischen Spielchen, also rufen wir unseren Supporter. Zu ihm haben wir inzwischen eine tief entspannte Beziehung. Sein anfänglich blankes Entsetzen, aufgrund unserer absoluten Verweigerung uns auch nur im  Ansatz mit unserem IT  Zeugs zu befassen, ist etwas Mildem, Gütigem gewichen. Er hat sich wohl einfach an uns gewöhnt. Er hat sich daran gewöhnt, dass unsere Kennwörter zusammen mit einer grösseren Pizzabestellung aufgelistet sind. Er hält uns keine Vorträge und stellt uns keine Fragen. Nicht mehr. Er kommt, und fängt an leise zu summen. Das scheint ihn irgendwie zu beruhigen. Und unser Freundchen der Server, hat   die Verbindung mit uns wieder auf-nehmen müssen.

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26. September 2011

Heute haben wir Besuch. Die wunderbare, warmherzige und hübsche Hündin von Crivellis beehrt uns. Trotz konzentrierten Arbeitens bringt sie uns immer wieder zu Lachen. Ausser wenn sie furzt.

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18. September 2011

Gute Freelancer sind rar. Wollen diese meistens so schnell wie möglich das sinkende Schiff wieder verlassen. Denn wäre es nicht am sinken, würde man sie nicht rufen. Unserer nicht. Unserer bleibt. Unserer ist Zucker.  

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9. September 2011

Der Treuhänder mahnt uns zum zweiten Mal bezüglich MWST-Abrechnung. Verzugszinsen müssten wirklich nicht sein und es gebe sonst noch eine kleine Ungereimtheit. Da er uns kennt, pfeift er uns in sein  Büro. Es gibt kein Entrinnen.

 

Eine gute Stunde versucht er uns dann diese näher zu bringen, diese kleine Ungereimtheit. Um allenfalls eine für ihn befriedigende Antwort zu erhalten. «Ihr zwei seid einfach Lustige» war dann die Verabschiedung unseres Treuhänders. Wir vermuten mal, das ist in Sachen Buchhaltung kein richtiges Kompliment. 

 

Zum Glück liegt das Büro unseres Treuhänders irgendwo am rechten Seeufer. Man muss quasi beim Rückweg in die Stadt bei der Seerose anhalten. Einen kleinen Lunch und ein, zwei Gläschen ausgezeichneten Pinot Grigio zu sich nehmen. (Die gesparten Verzugszinsen.) Neben uns sass übrigens Carl Hirschmann. Im Gegensatz zu uns, schaffte er es nicht so gut, sich zu entspannen. 

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26. August 2011

Unser Sommerapéro. Seit Tagen verfolgen wir die Wetterprognosen, denn der Apéro ist fix aber der Sommer? 32 Grad am Tag, am Abend Sturm. Nicht nur Gewitter, Sturm. Ein schlimmer, die Schweizer Variante von Hurrican Irene sozusagen, der zeitgleich die amerikanische Ostküste bedroht.

 

Irene entpuppte sich dann aber letztendlich und Gott sei Dank als recht harmlos. Zumindest downtown. Wir haben unseren Sommerapéro trotz Sturm und dessen Warnung sehr genossen. Wir haben uns gefreut. Gefreut über unsere Kunden und Freunde. Wir haben viel gelacht und auch ein bisschen viel  getrunken...  An dieser Stelle sei gesagt, wir hätten noch die eine oder andere übrige Flasche Weisswein im Kühlschrank ...

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22. August 2011

Mit müden Körpern und bildschirmverbrannten Augen 870 MB geballte Gestaltung in die Druckerei übermittelt. Morgen werden wir wohl zum x-ten Mal nach orthopädischen Stühlen recherchieren.

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15. August 2011

Heute haben wir etwas abgesagt. Absagen sind fast noch schlimmer als keine Anfragen.

Während die eine, die mit dem katholischen Erziehungshintergrund sich bekümmert fragt, wann der Herr im Himmel sie angesichts dieses Hochmuts wohl bestrafen möge, strahlt die andere, die welche mit einem unerschütterlichen Urvertrauen und Gleichmut gesegnet ist, die Bekümmerte an. Um ihr vorzurechnen, was man nun alles mit der eben gewonnen Freizeit machen könnte. Zum Beispiel ein Hundeheim eröffnen. Auf Ibiza.  

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3. August 2011

«Da hats zuviel Weiss!»

Ohne Umwege über den Beamer, trifft uns dieser erste differenzierte Input, während einer Präsentation in einer fremden Stadt, direkt ins Herz. Was soll man da antworten? Wie begründet man gegenüber dem Kunden die Wahl eines Designs oder eines Bildes, wenn es kein Richtig und kein Falsch gibt? Leider kann man Geschmack und Intuition schlecht verkaufen. Das wissen wir nach all den Jahren der Berufserfahrung. Und doch sind wir  jedesmal wieder am Boden zerstört – und zwar komplett – wenn Kunden nicht verstehen, dass die Voraussetzung für ein gutes Produkt, Vertrauen in die Kompetenz der
Gestalter beinhaltet.

Auch der Heimweg gestaltete sich gleichermassen unbefriedigend. Mit der richtigen Tramnummer sind wir in die falsche Richtung gefahren. Gemerkt haben wir es nach ca. 20 Minuten.

 

Zwei Tage später, pünktlich für ein gutes Wochenendgefühl, ruft uns der CEO an. Gewählt ist Variante B. Die mit dem vielen Weiss.